Liebe Leser:innen!

Das heutige Gleichnis Jesu fordert heraus. Es fordert diejenigen heraus, die in einer selbstgerechten Haltung unterwegs sind und aus dieser heraus die anderen beurteilen und sie in die Ecke stellen. Und unterschwellig sind sie der Meinung, in G-tt auch einen Verbündeten in ihrer Beurteilungs- und Haltungsweise zu haben. Der Pharisäer fühlt sich mit G-tt, mit seinem G-tt, im Bunde. Er weiß genau, was richtig und was falsch ist. Er lebt in klaren festen Strukturen, die das Leben immer schon in schwarz und weiß, in gut und böse eingeteilt haben. Er kennt in diesem einfachen Farbspektrum die vielen Grautöne des Lebens nicht oder will sie nicht kennen und nicht sehen.

Der G-tt Jesu tickt anders. Und dies hat Jesu seinen Zeitgenoss:innen auch vorgelebt. Jesus macht es anders als die Pharisäer und die Schriftgelehrten. Er beurteilt nicht von außen und ausschließlich nach Gesetzeslage. Er teilt sein Leben mit den „Sünder:innen“. Er hört den Menschen mit ihren Lebensgeschichten zu. Er weiß, dass die Bewertung eines Menschen nach dem Schwarz-Weiß-Schema diesem nicht gerecht wird. Da sind diese vielen Grautöne, die verschiedenen Einflüsse, Prägungen, Erlebnisse, die einen Menschen zu dem machen, der er ist. Das bedeutet für Jesus aber nicht, dass es keine Möglichkeit der Lebensänderung, des Neuanfangs, der Umkehr gibt. Für Jesus ist jedoch klar, dass nicht Hartherzigkeit, sondern Barmherzigkeit die Voraussetzung für einen Neuanfang ist.

Der G-tt Jesu gibt den Menschen nicht auf. Er setzt beharrlich auf das Gute im Menschen. Und er weiß auch um die Scheinheiligkeit derjenigen, die meinen, sie bedürfen der Umkehr nicht.

Der Zöllner im Gleichnis weiß um seine Grenzen, um seine Schuld. Er ist nicht selbstgerecht, sondern selbstkritisch und demütig tritt er vor G-tt. Diese ehrliche Haltung sich selbst gegenüber und den Mitmenschen ist es, die G-tt schätzt.

Dieser Jesus aus Nazareth fordert auch mich heraus. Sensibel zu sein für die Lebensgeschichten der Menschen, die mir begegnen. Meine eigenen Bewertungs- und Beurteilungskriterien kritisch zu überprüfen. Und auch wahrzunehmen, wo für mich ein Neuanfang nötig ist.

 

Ich wünsche Ihnen und Euch einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche!

 

Hermann Steinkamp

Redaktion

SonntagsImpulse.de

 

Das Evangelium von heute (Lk 18,9-14)

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas.

In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis:

Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.

Der Pharisäer stellt sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal die Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.

Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!

Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.