Liebe Leser*innen!

Der Prophet Jesaja zeichnet im Text der heutigen Lesung eine schier unglaubliche Vision: eine Vision von Wachsen und Frieden, von Leichtigkeit und tiefer, herrlicher Ruhe.

Mein erster Impuls ist: „Das wird nie passieren!“. Und zugleich sprechen die Bilder eine Sehnsucht in mir an: Es könnte alles ganz anders sein. Mit G*tt ist eine andere Welt möglich. Wie so oft, wenn ich diese Hoffnungsperspektive und den Blick in die Wirklichkeit unserer Welt nebeneinanderlege, spüre ich die Ambivalenz. Denn die Realität macht es manchmal schwer, dieser Sehnsucht wirklich zu trauen, sie nicht nur für eine „Träumerei“ zu halten.

Der Prophet Jesaja spricht vom „Geist der Weisheit und der Einsicht“. Wenn wir alle den nur hätten! Wie anders würden wir handeln und wie anders würde diese Welt aussehen?! Der Singer/Songwriter Jonnes singt in seinem Lied „Ambivalenz“ von einer Einsicht, die ich mit der Einsicht verbinde, die Jesaja beschreibt:

„Ich will die wahrhaftige Sicht, doch so einfach ist es halt nicht. Ich reiß den Himmel auf, doch erst fallen tausend Rätsel raus.“         (Jonnes, Ambivalenz)

Die Welt, die der Geist der Weisheit und der Einsicht eröffnet, ist eine, die nicht von dieser Welt ist. Nicht aus dieser Welt allein heraus machbar und auch nicht aus ihr allein verständlich. Aber: sie ist uns verheißen. Und sie kommt immer wieder neu als Anfang auf uns zu. Vielleicht ist der Advent genau die Zeit, sich mal wieder ganz bewusst darauf einzulassen.

Ich jedenfalls will dem Un-glaublichen glauben.

 

Ich wünsche Ihnen und Euch die Sehnsucht nach und das Vertrauen in das Un-glaubliche!

 

Farina Dierker

Redaktion

SonntagsImpulse.de

Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 11, 1-10)

1 Doch aus dem Baumstumpf Ísais wächst ein Reis hervor, / ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. 2 Der Geist des HERRN ruht auf ihm: / der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, / der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. 3 Und er hat sein Wohlgefallen an der Furcht des HERRN. / Er richtet nicht nach dem Augenschein / und nach dem Hörensagen entscheidet er nicht, 4 sondern er richtet die Geringen in Gerechtigkeit / und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt das Land / mit dem Stock seines Mundes und tötet den Frevler / mit dem Hauch seiner Lippen. 5 Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften / und die Treue der Gürtel um seine Lenden. 6 Der Wolf findet Schutz beim Lamm, / der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, / ein kleiner Junge leitet sie. 7 Kuh und Bärin nähren sich zusammen, / ihre Jungen liegen beieinander. / Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. 8 Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter / und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus. 9 Man tut nichts Böses / und begeht kein Verbrechen / auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des HERRN, / so wie die Wasser das Meer bedecken. 10 An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Ísais sein,

der dasteht als Feldzeichen für die Völker; die Nationen werden nach ihm fragen und seine Ruhe wird herrlich sein.