in diesem Jahr haben wir fast vier Wochen Adventszeit. Kalendarisch die längste Adventszeit, die möglich ist. Im kommenden Jahr feiern wir am Sonntagabend des 4. Advent Heiligabend.
Die lange Adventszeit – für mich auch ein Zeichen, dass Mensch-werdung manchmal doch länger braucht. Anfang dieses Jahres haben sich über 100 Mitarbeiter:innen der katholischen Kirche in der Initiative „Out in church“ und der Fernsehdokumentation „Wie Gott uns schuf“ zu ihrem Queer-sein bekannt. Das war für viele von ihnen kein einfacher Schritt. Sie haben für sich und für viele andere queere Menschen Courage gezeigt. Sie wissen, dass auch ihr queeres Mensch-sein ein von Gott geschaffenes ist. Diese Erkenntnis setzt sich in der Kirche nur langsam durch. „Niemals erwähnte irgendjemand in der Kirche einen Menschen, der so war wie ich.“ – Aussage eines queeren Menschen.
Während meines Theologistudiums vor 30 Jahren lernte ich einen Mitstudenten kennen, der sich schon damals offen zu seinem Schwulsein bekannte. Er wusste, dass er mit dieser Offenheit niemals in der katholischen Kirche arbeiten würde. Er engagierte sich schon früh in der Initiative „Homosexuelle und Kirche“. Er hatte einen langen Atem. Vielleicht auch, weil er wusste, dass es richtig ist, sich für seine Weise des Mensch-seins und für diejenigen, denen es ähnlich ging, einzusetzen. Weil er wusste, so wie ich bin, bin ich auch ein Teil der von Gott gewollten Schöpfung. Heute ist dieser junge Mann von damals Referent für „Regenbogenpastoral“ in einem deutschen Bistum.
Mensch-werdung braucht manchmal lang. Die Mensch-werdung Gottes zeigt mir, dass Wirklichkeit sich verändern kann. Dass es nicht so bleiben muss, wie es ist. Dass die Hoffnung auf eine andere, bessere, menschlichere Welt keine Utopie bleibt, sondern in dem Kind aus Betlehem einen festen Grund hat.
Vorweihnachtliche Grüße
Hermann Steinkamp